Schrödingers Rubbellos

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Das gilt unter anderem fürs Glücksspiel, lässt sich aber auch auf andere Lebensbereiche übertragen. Wenn wir einen sich bietenden Moment nicht nutzen, werden wir nie sagen können, ob es der richtige Zeitpunkt war. Wir können höchstens spekulieren, ob es der richtige hätte sein können. Die Reue über nicht genutzte Chancen ist, wenn wir ehrlich sind, oftmals schlimmer als eine unangenehme Erfahrung.

Kekse, Pennys und Schrödingers Katze

Zück‘ deinen Glückspfennig und rubbel das Los des Lebens frei! steht so oder so ähnlich vielleicht auch in einem Glückskeks oder auf einer dieser inspirierenden Postkarten, die nie verschickt, sondern bestenfalls verschenkt werden. Und für geschenkte Ratschläge kann man sich bekanntlich nichts kaufen. Aber das ist ein anderes Thema. Ich mag ja Glückskekse: Kurze Nachricht, viel Interpretationsspielraum, kleine Nascherei. Wenn man sich einen Glückskeks aussucht, kauft man irgendwie auch die Katze im Sack. Zwar ist der Sack hier die Verpackung und die Katze ein Keks und kein Hase, aber ihr versteht schon, was ich meine.

Wer die Wahl hat, hat die Qual

Eine Auswahl zu haben wirkt im ersten Moment reizvoll. Eine zu große Auswahl kann dazu führen, dass wir keine Auswahl treffen, weil wir überfordert von der Fülle an Möglichkeiten sind. Dabei ist dieses Paradoxon doch der worst case. Wie können wir es schaffen, eine Entscheidung zu treffen? Wir können Kriterien festlegen, anhand deren wir die verschiedenen Auswahlmöglichkeiten gegeneinander abwägen. Aber welche Kriterien sind möglich, sinnvoll, zielführend, fair? Und schon öffnet sich ein Fass ohne Boden. Wo ziehen wir die Grenze? Wie viele Kriterien benötigen wir, um eine Entscheidung zu fällen, eine Auswahl zu treffen?

No risk, no chance, no fun?

Bis wir uns entscheiden, stehen uns alle Optionen offen. Aber was nützt uns das, wenn wir am Ende keine auswählen? Ein bisschen wie Achterbahnfahrtenfreifahrten, die wir nicht einlösen. Ich mag ja Achterbahnen: Ein bisschen frischer Wind, ein paar Perspektivwechsel, eine Portion Hormone und ordentlich Herzklopfen. Im echten Leben sind das wundervolle Momente, die wir unter Umständen nie erleben. Selbst wenn nicht immer alles glatt läuft, sind wir doch immerhin um eine Erfahrung reicher. Wir sind über uns hinausgewachsen, als wir uns getraut haben. Im besten Fall genießen wir neue Eindrücke, im zweitbesten Fall haben wir etwas dazugelernt und im schlimmsten Fall macht es uns stärker.

Schlussendlich liegt die Entscheidung bei uns. Die Entscheidung, wie viele und welche Kriterien wir berücksichtigen, wie wir sie im Verhältnis zueinander gewichten und was wir bei Gleichstand tun. Am Ende stellen wir uns immer die Frage: War es das wert?
Die Antwort ist immer dieselbe: Wir müssen es riskieren, wenn wir es herausfinden wollen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Carpe Momentum

Eine gute Entscheidung kann nur einen Münzwurf entfernt sein.

Wenn wir uns nicht entscheiden können, können wir eine Münze werfen, die uns die Entscheidung abnimmt. So die Theorie. In der Praxis kann uns niemand jemals eine Entscheidung abnehmen. Dabei verhält es sich ähnlich wie im Grundsatz „Man kann nicht nicht kommunizieren“, denn man kann auch nicht keine Entscheidung treffen. Selbst wenn die Münze Kopf zeigt, obliegt es uns, ob wir den Vorschlag annehmen. Die Entscheidung bleibt also bei uns.

Die Welt um uns bewegt sich, auch wenn wir verharren

Sinngemäß bezeichnet „Stillstand bedeutet Rückschritt“ das gleiche, wenn auch mit einem anderen Schwerpunkt. Es soll heißen: Die Welt dreht sich weiter, auch wenn sie für uns stillsteht. In jedem Moment unseres Daseins treffen wir Entscheidungen, fortwährend, ohne, dass wir uns dessen jemals entziehen könnten. Ebenso wie unser Herz jeden Moment unseres Lebens schlägt, treffen wir in jedem Moment unseres Daseins immerzu Entscheidungen. Wir entscheiden zu warten, loszugehen, zuzupacken, loszulassen, zu sprechen, zu schweigen, eine Veränderung anzunehmen oder Bestehendes fortzuführen.

Eine Entscheidung ist eine Entscheidung, Bewertung nicht nötig

Erkenntnisse lassen sich nur im Nachhinein gewinnen. Eine Bewertung wie „richtig“ oder „falsch“, „gut“ oder „schlecht“ ist bestenfalls in der Retrospektive möglich, aber auch dann nicht immer sinnvoll oder notwendig. Im Zuge einer kontinuierlichen Optimierung hängen wir, metaphorisch gesprochen, laufend Labels an Entscheidungen in der Hoffnung, daraus zu lernen und für die nächste, ähnlich aussehende Situation, die unseren Weg kreuzt, noch besser gewappnet zu sein als bisher.

Diese Labels wiegen uns in der trügerischen Sicherheit, Situationen und daran geknüpfte Dinge, Sachverhalte oder Emotionen einzuordnen und dadurch ein Stück besser damit umgehen zu können. Doch an jedem Label hängt eine Bewertung, die wir dem Sachverhalt, der Situation oder dem Gefühl geben. Dieser Wert, diese Bewertung, kann sich klar im Schwarz-Weiß-Schema befinden und beispielsweise „gut“ oder „schlecht“, „richtig“ oder „falsch“, „wahr“ oder „unwahr“ lauten. Es gibt aber auch Labels, die Schattierungen abbilden können. Zu jenen Schattierungen gehören auch komplexere Konzepte, deren Vielschichtigkeit wir, selbst wenn wir sie mit einem Begriff benennen, längst nicht in einem Wort gerecht werden können. Beispiele für Labels, die sich vom klaren Schwarz-Weiß lösen und etwas Interpretationsspielraum zulassen, sind „vorteilhaft“ und „wünschenswert“. Beide Begriffe benennen Konstrukte, deren Bewertung je nach Standpunkt variiert, Stichwort Relativtheorie. Streng genommen stecken auch hinter „richtig“ und „falsch“ komplexe Konstrukte und subjektive Wertevorstellungen, allein die Wortwahl suggeriert Objektivität. Hinter jedem Label, hinter jeder Bewertung liegen Wertevorstellungen und Glaubenssätze im Schützengraben, bereit, auf unsere Gedanken und unsere Gefühle zu feuern, wenn etwas nicht in ihr Raster passt.

Mehr als 0 und 1

Indem wir Situationen, Entscheidungen oder Verhaltensweisen Labels anhängen, bewerten wir sie. Jede Bewertung erfordert Energie, die wir an anderer Stelle einsetzen könnten. Für Achtsamkeit uns selbst gegenüber zum Beispiel. Anstatt unser Außen zu bewerten, könnten wir aufmerksam in uns hineinfühlen und ohne Bewertung oder Interpretation uns selbst wahrnehmen. Weg von „Ich bin schwach“ und hin zu „Ich verspüre Durst, meine Beine fühlen sich wackelig an“. Ist das nicht dasselbe? Mitnichten.

Wenn wir wahrnehmen, ohne zu interpretieren oder zu bewerten, lassen wir Raum. Raum für Eindrücke, Raum für Entfaltung, Raum für Entspannung. Diesen Raum können wir nutzen, um unsere Bedürfnisse wahrzunehmen (nicht zu bewerten!) und zu erfüllen, und so gut für uns selbst zu sorgen. Sorgen wir gut für uns selbst, können wir auch nach außen mehr Raum geben. Raum für Menschen und Situationen, ihnen erlauben, so zu sein, wie sie es sind. Ganz ohne Bewertung. Im besten Fall bleibt dann auch Raum für uns selbst.

Jetzt fällt der Groschen

Und was haben Bewertungen mit einem Münzwurf und mit guten Entscheidungen zu tun? Niemand kann uns eine Entscheidung abnehmen, nicht einmal die kleinste Entscheidung. Und wenn sich eine Situation verändert und wir den Eindruck haben, dass uns diese äußere Veränderung die Entscheidung abgenommen hat, so haben wir doch selbst entschieden. Und sei es nur die Entscheidung, so lange zu verharren, bis sich Gegebenheiten verändern. Unabhängig davon bleibt es außerdem immer auch uns selbst überlassen, wie wir mit einer Situation umgehen. Niemand kann für uns entscheiden, ob wir uns freuen oder etwas genießen. Das können nur wir selbst entscheiden.

Des Pudels Kern

Eines meiner Lieblingsworte ist vielschichtig. Es deutet in meinen Augen auf die Komplexität, die den allermeisten Dingen innewohnt und aus vielen Mosaikteilchen besteht, von denen viele zu kantig für Labels sind. Selbst wenn Entscheidungen oftmals 1 oder 0, hop oder top, ein Ja oder ein Nein erfordern, so haben diese kurzen, geschlossenen Fragestellungen vielfach eine lange, gewundene Vorgeschichte, die lediglich in dieses Nadelöhr aus ja oder nein mündet, aber nicht darauf zu reduzieren ist. Trauen wir uns, uns zu entscheiden und schlüpfen wir durch das Nadelöhr, öffnen sich uns Türen, Fenster, gar Horizonte, eröffnen sich uns Möglichkeiten, Wege, gar Welten. Letztlich liegt die Entscheidung nur bei uns und das ist doch irgendwie auch tröstlich.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!